Gerlach, Friedrich Wilhelm, Naumburg a. Saale - Arbeitsordnung 1893 und Änderung 1913 (Abschrift) 

 

 

Arbeitsordnung

der

Spielwaaren-Fabrik

von

F. W. Gerlach

zu

Naumburg a/Saale

s. Gewerbeordnung v. 1. Juni 1891

 

§ 1.

Die nachstehende Arbeitsordnung ist im Einverständniß mit meinen Arbeitern und Arbeiterinnen aufgestellt und vertritt gleichzeitig die Stelle eines zwischen der Firma und dem Personal abgeschlossenen Arbeitsvertrages.

Jeder Arbeiter resp. Arbeiterin ist verpflichtet, sich durch Namensunterschrift mit nachstehenden Bedingungen einverstanden zu erklären.

 

§ 2.

Jeder Arbeiter hat bei seiner Aufnahme seine Legitimationspapiere vorzuzeigen und Krankenkassen- sowie Arbeitsbuch zu deponieren; bei seinem Austritt erhält er dieselben zurück.

Die Annahme geschieht durch den Firmen-Inhaber oder bei Arbeitern durch den Werkführer, bei Arbeiterinnen durch die Vorsteherin, und hat jeder Eintretende auch die Anordnungen derselben zu befolgen. Diese Arbeitsvorsteher sind zu einer ernsten, aber anständigen und gerechten Behandlung des Personals verpflichtet, glaubt jedoch ein Arbeiter Grund zu einer Beschwerde gegen eine dieser Personen zu haben, so hat er solche direkt beim Arbeitgeber anzubringen.

 

§ 3.

Die Arbeitszeit beginnt gewöhnlich um 6 Uhr Morgens und endet 7 Uhr Abends. Pausen treten ein:

von 8 1/2 bis 9 Uhr Frühstück

von 12 bis 1 Uhr     Mittag

von 4 bis 4 1/2 Uhr Vesper, während der Mittagspause werden die Arbeitsräume geschlossen.

Jugendliche Arbeiter zwischen 14 - 16 Jahren werden täglich nur 10 Stunden beschäftigt und zwar Morgens um 7 Uhr anfangend, Kinder zwischen 13 - 14 Jahren, sofern sie der Schule entwachsen sind, nur 6 Stunden, solche unter 13 Jahren werden nicht angenommen; die Pausen sind für Alle die gleichen.

Aenderungen in der Arbeitszeit und den Pausen, sowie Arbeitsverkürzungen und Feierabendarbeit werden ca. 8 Tage vorher bekanntgemacht.

 

§ 4.

Arbeiterinnen, welche einen Haushalt zu leisten haben, sind auf ihren Antrag Mittags 1/2 Stunde eher zu entlassen und kann ihnen auch Morgens ein späterer Anfang eingeräumt werden.

Sonnabends, und an den Vorabenden hoher Feste (Neujahr, Karfreitag, Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten, Bußtag und Weihnachten) schließt die Arbeit 5 1/2 Uhr und werden bis 6 Uhr die Arbeitsräume gereinigt.

 

§ 5.

Die Lohnberechnung und Zahlung erfolgt jeden Sonnabend und zwar entweder nach dem vereinbarten Stundenlohn oder den bekanntgegebenen Accordsätzen.

Lohn- resp. Preisveränderungen werden 8 Tage vorher bekanntgegeben. Der Lohn wird stets im Comtor in Baar ausgezahlt nach Abzug von Krankenkassen-, Invaliden- und Altersversicherungs-Beiträgen.

Die Accordarbeiten, welche länger als 8 Tage dauern, wird nach Fertigstellung der Arbeit verrechnet und Sonnabend eine Abschlagssumme je nach Wunsch der Arbeiter bezahlt.

Reclamationen gegen die mitgeteilte Höhe des Verdienstes resp. der Abzüge sind spätestens binnen 24 Stunden anzubringen, ferner ist jeder Arbeiter verpflichtet das Geld bei Empfangnahme nachzuzählen, da spätere Einwände nicht berücksichtigt werden können.

Der Schaden, welcher dem Arbeitgeber durch grobe Fahrlässigkeit oder böswillig zugefügt wird, muß von dem Betreffenden ersetzt werden und wird bei der Lohnzahlung auch in Abzug gebracht.

Tritt ein Arbeiter vor der regelmäßigen Lohnzahlung aus dem Arbeitsverhältniß, so wird ihm sein Lohn bis zur Stunde der Arbeitseinstellung sofort, spätestens binnen 24 Stunden ausgezahlt.

 

§ 6.

Die gegenseitige Kündigungsfrist beträgt beim Werkführer und der Vorsteherin 6 Wochen mit Ablauf des Kalendervierteljahres, bei sämtlichen männlichen und weiblichen Arbeitern 14 Tage, und zwar ist am Lohntage zu kündigen.

 

§ 7.

Wünscht ein Arbeiter einen Urlaub, so hat er es dem Werkführer resp. der Vorsteherin zu melden. Während der Zeit eines solchen Urlaubs wird der Lohn nicht bezahlt, überhaupt ist jedes Verlassen der Arbeit, sei es auch nur auf Stunden, den Arbeits-Vorstehern zu melden; ist eine vorherige Entschuldigung (bei Krankheiten) unmöglich gewesen, so ist der Grund des unentschuldigten Ausbleibens bei Wiederaufnahme der Arbeit anzugeben.

 

§ 8.

Eine sofortige Entlassung ohne Kündigung kann verwirkt werden durch übertretung der in § 123, 1 - 8 der Gewerbeordnung aufgeführten Fälle. Ebenso kann der sofortige Austritt seitens eines Arbeiters erfolgen, wenn er auf Grund des § 124. 1 - 5 der Gewerbeordnung dazu befugt ist.

 

§ 9.

Event. Ergänzungen zu dieser Arbeitsordnung werden nach Anhörung der über 16 Jahre alten Arbeiter und Arbeiterinnen und unter Mittheilung an die hiesige Polizei-Verwaltung durch Anschlag bekannt gemacht und kann sich Niemand durch Unkenntniß derselben entschuldigen.

 

§ 10.

Ein Exemplar dieser Arbeitsordnung wird jedem in der Fabrik Beschäftigten eingehändigt.

Vorstehende Arbeitsordnung tritt mit heutigem Rage in Kraft.

 

Naumburg a/Saale, den 10. September 1893

 

gez. F. W. Gerlach

 

 

Die Arbeitsordnung der Spielwaren-Fabrik von

F. W. Gerlach, Naumburg a S.

wird wie folgt geändert

 

§. 3.

Absatz I.

Die Arbeitszeit beginnt für männliche Arbeiter gewöhnlich um 6 Uhr morgens, für weibliche gewöhnlich um 7 Uhr morgens und endet 6 Uhr abends. Kinder unter 14 Jahren arbeiten von 9 Uhr morgens bis 4 1/2 Uhr nachmittags mit folgenden Pausen.

1. für Arbeiter u. Arbeiterinnen über 16 Jahren

     8 3/4 - 9 Uhr    Frühstück

     12 - 1 Uhr        Mittag

     3 3/4 - 4 Uhr    Vesper

 

2. für Arbeiter u. Arbeiterinnen unter 16 Jahren

     8 1/2 - 9 Uhr     Frühstück

     12 - 1 Uhr         Mittag

     3 /1/2 - 4 Uhr    Vesper

 

3. für Kinder unter 14 Jahren

     12 - 1 Uhr         Mittag

     3 1/2 - 4 Uhr     Vesper

 

An den Nachmittagen der Sonnabende und an den Vorabenden großer Feste werden die Arbeiterinnen von 1 - 4 Uhr nachmittags ohne Vesperpause beschäftigt. (§ 136 G. O.)

Während der Mittagspause werden die Arbeitsräume geschlossen.

 

§. 4.

Absatz II.

Sonnabends und an den Vorabenden hoher Feste (Neujahr, Karfreitag, Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten, Bußtag u. Weihnachten) schließt die Arbeit um 4 Uhr. Die Arbeitszeit an diesen Tagen beträgt höchstens 8 Stunden. (§ 137 G. O.)

 

Inkrafttreten den 1. Juni 1913

 

Naumburg a S. 16. Mai 1913

gez. ...

 

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